Walter Benjamin Konferenz 2019

Programm

Zum 100-jährigen Jubiläum der Promotion von Walter Benjamin kehrt der Veranstaltungsort sowie das Programm der Konferenz zu den Anfängen Benjamins nach Bern zurück. Das Programm spiegelt in sechs Themen das fächerübergreifende und verbundene Denken Benjamins wieder. Die Konferenzsprachen 2019 sind Deutsch, Englisch und Französisch. 

Am Mittwoch 26. Juni 2019 gibt es ein Vorprogramm, die eigentliche Tagung findet vom Donnerstag, 27. Juni, bis Samstag, 29. Juni 2019, statt.

Sie wird begleitet von der Ausstellung «Walter Benjamin in Bern» mit einer Kartographie zur Berner Zeit und künstlerischen Arbeiten und Videos von Martin Ebner, Ariane Müller, Florian Zeyfang sowie Chantal und Lais Benjamin. Kurator: Dr. Toni Hildebrandt. Die Ausstellung ist vom 26. Juni 16 Uhr bis 29. Juni 14 Uhr im Erdgeschoss der UniS, Schanzeneckstrasse 1, zu sehen. Sie ist öffentlich und kostenfrei. Eine Ausstellungsbroschüre (62 Seiten) ist für CHF 5 am Conference-Desk erhältlich. 

Konferenzflyer
Programm (aktualisiert am 13. August)
Konzertflyer

Vorprogramm am 26. Juni im Zentrum Paul Klee

Eröffnet wird die Konferenz (Eintritt frei) um 15h30 im Zentrum Paul Klee mit einem Ausschnitt aus Brian Ferneyhoughs Benjamin-Oper (am Klavier: Manuel Bärtsch) und zwei Vorträgen von Annie Bourneuf und Axel Körner. Grussworte sprechen Dr. Fabienne Eggelhöfer (Zentrum Paul Klee), Prof. Dr. Michael Jennings (International Walter Benjamin Societey), Dekan Prof. Dr. Stefan Rebenich (Philosophisch-historische Fakultät der Universität Bern) und Prof. Dr. Anselm Gerhard (Walter Benjamin Kolleg).
Um 18h15 sschliesst sich das Konzert der CAMERATA BERN mit Patricia Kopatchinskaja an. Registrierte Konferenzteilnehmende besuchen das Konzert gratis. Studierende der beiden Benjamin-Seminare im FS 2019 und weitere Interessierte erhalten Tickets auf Kulturticket.ch.

Den Konzertflyer finden Sie hier.

Abstract 

The artist R. H. Quaytman recently discovered that Paul Klee mounted his watercolored oil-transfer drawing Angelus Novus (1920)—famous for its prominent place in the writings of its first owner, Walter Benjamin—on top of an engraved portrait of Martin Luther from 1838. In this lecture, Bourneuf ventures a new interpretation of the work in light of Quaytman’s discovery, considering issues of portraiture and defacement, disenchantment and reenchantment, and chronologies of modernity in relation to the object's material complexity and the relations it proposes among painting, engraving, oil-transfer drawing, and printed book.

Bionote

Annie Bourneuf, Associate Professor, Department of Art History, Theory, and Criticism, School of the Art Institute of Chicago.
Annie Bourneuf is the author of Paul Klee: The Visible and the Legible (Chicago: University of Chicago Press, 2015), winner of the 2016 Robert Motherwell Book Award.

Abstract

Benjamin’s Thesen zur Geschichte have frequently been read in isolation, or within a narrow framework of debates in Western Marxism. Instead, my lecture will show how his understanding of historical temporality is linked to a much wider European trend in rethinking the relationship between idealism and historical materialism, informed by a specific experience of historical time. Benjamin’s reading of Klee’s Engel der Geschichte offers important keys to this wider context of thought. As I am not a philosopher, I approach this question with the contextual methodologies of an intellectual historian.

Bionote

Axel Körner is Professor of Modern History at University College London and Director of the UCL Centre for Transnational History. The principal focus of his work is the cultural and intellectual history of Europe. His books include Das Lied von einer anderen Welt (Frankfurt/M., 1997) and Politics of Culture in Liberal Italy (New York 2009). His America in Italy. The United States in the Political Thought and Imagination of the Risorgimento, 1763-1865 was published by Princeton University Press in 2017 and won the Helen & Howard Marraro Prize of the American Historical Association. Supported by the Leverhulme Trust, he currently works on a major project entitled Transnational Monarchy. Rethinking the Habsburg Empire, 1804-1918. He previously published on Walter Benjamin in Intellectual History Review and is preparing a small book on Benjamin within a wider context of early twentieth-century European thought. Körner has held visiting positions at the Institute for Advanced Study, Princeton, at the École Normale Supérieure, Paris, and at New York University.

GEORGE ANTHEIL (1900 – 1959): Serenade für Streicher Nr. 1 (1948): Allegro | Andante molto | Vivo
ARNOLD SCHOENBERG(1874 – 1951): Pierrot Lunaire, Teil I: Mondestrunken | Colombine | Der Dandy | Eine blasse Wäscherin | Valse de Chopin | Madonna | Der kranke Mond
TŌRU TAKEMITSU (1930 – 1996): Nostalghia

****Pause****               

ARNOLD SCHOENBERG: Pierrot Lunaire, Teil II: Nacht | Gebet an Pierrot | Raub | Rote Messe | Galgenlied | Enthauptung | Die Kreuze
ANTON WEBERN (1883 – 1945): Langsamer Satz
ARNOLD SCHOENBERG: Pierrot Lunaire, Teil III: Heimweh | Gemeinheit | Parodie | Der Mondfleck | Serenade | Heimfahrt | O alter Duft.

Das Konzert ist für registrierte Tagungsteilnehmende kostenfrei. Sonstige Studierende, Alumni UniBE und andere Interessierte können Tickets auf kulturticket.ch erwerben.

Festakt am 27. Juni im Hauptgebäude H4, Aula

Walter Benjamin bestand am 27. Juni 1919 an der Universität Bern sein Doktoratsexamen. Genau 100 Jahre später feiern wir dies mit einem akademischen Festakt in Anwesenheit zweier Enkelinnen Walter Benjamins. Grussworte spricht der Rektor der Universität Bern, Prof. Dr. Christian Leumann. In der Festrede beleuchtet Prof. Dr. Winfried Menninghaus Walter Benjamins Beziehung zur Schweiz. Die Veranstaltung ist öffentlich und kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht nötig.

Walter Benjamins literarische und geschichtsphilosophische Topographie des westlichen Europa seiner Zeit gilt Orten in allen drei Nachbarländern der Schweiz: allen voran Berlin, Paris und – in einem anderen Register – der Konfiguration von Neapel, Capri und Ibiza. Moskau ist ein outlier in dieser Serie. Eine Stadt oder eine Landschaft in der Schweiz kommt darin nicht vor. Walter Benjamins Bild von der Schweiz ist gleichwohl alles andere als geheim oder gar nicht-existent. Es lässt sich zusammensetzen aus vielen brieflichen Bemerkungen und auch aus seinen Portraits großer Schweizer Autoren. Aus Anlass des Zentenars der Promotion Walter Benjamins in Bern wird mein Vortrag einige biographische und intellektuelle Facetten dieses durchaus reichen Bildes zusammentragen.

Winfried Menninghaus studierte an den Universitäten Marburg, Heidelberg, Frankfurt am Main und an der Freien Universität Berlin, promovierte 1979 über Walter Benjamins Theorie der Sprachmagie und wurde 1989 zum Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der FU Berlin ernannt. Er lehrte dort am Peter-Szondi-Institut bis März 2013. Menninghaus erhielt Rufe nach Bonn, Yale sowie Princeton und nahm Gastprofessuren an der Hebrew University of Jerusalem, der University of California, Berkeley, der Yale University, Princeton University, Rice University und EHESS (Paris) wahr. Seit 2002 ist er ordentliches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Im Jahr 2007 begründete er massgeblich das Exzellenzcluster Languages of Emotion an der FU Berlin und leitete dieses bis 2010. 2013 verliess er die FU Berlin und wurde zu einem der Gründungsdirektoren des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik berufen, wo er die Abteilung "Sprache und Literatur" leitet.

 

Keynotes vom 27. bis 29. Juni

Das Wort, das im Anfang war, das schöpferische, das Wort Gottes, ist auch als das letzte zu nennen, ein Wort nämlich, das sich auch zum Weltgericht eignet, dessen Kraft sich nicht allein zum Schaffen der Welt, sondern zu ihrer Abschaffung richten will. Das Wort, mit dem die Welt begann, im Anfang stand, ist damit auch das erlösende. Diese kurze Lehre über das Wesen des Wortes, die man oft in der Tradition trift, war auch die Lehre Walter Benjamins. Die Keynote ist öffentlich und kostenfrei.
Deutlicher gesagt: in der Sprachlehre Benjamins ist ein Echo dieser Lehre zu hören: Dieses Wort steht im Anfang seines Denkens und zeigt sich auch in seinen späten Schriften, von dem Aufsatz Über die Sprache bis zu seinen auto-biographischen Fragmenten. Wir fragen nach dem Wesen dieses Wortes, seinem Benennen, und damit fragen wir nach den Namen, die in Benjamins Schriften, die Möglichkeit von Anfang und Ende tragen.

Galili Shahar studierte an der Tel Aviv Universität und an der FU Berlin. Anschliessend war er Post-Doctoral Research Fellow am Rosenzweig Center an der hebräischen Universität und lehrte in der Abteilung für Germanistik in Jerusalem. Shahar ist derzeit Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft und Germanistik im Institut für Literaturwissenschaft der Tel Aviv Universität und seit 2013 Direktor des Minerva-Instituts für deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv. Er widmet sich der Erforschung und Lehre deutscher, jüdischer und hebräischer Literatur.

tba

“The most important task of art history [is] to decipher in the great artworks of the past the prophecies valid for the epoch of its writing.” This talk takes that assertion from Benjamin’s preparatory notes for “Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit” as a point of departure for an exploration of his various conceptualizations of KunstgeschichteKunstwerkKunstkritikKunsterkenntnis, and Kunsttheorie, from his reflections on early Romanticism in Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantikto his efforts to unfold “a materialist dialectic” by means of an analysis of film in the artwork essay — an analysis, I argue, to which Benjamin’s own reckoning with “the great artworks of the past” was crucial. This Keynote is open to the public and free of charge.

Brigid Doherty teaches in the Departments of German and Art & Archaeology at Princeton University, where she is also Associated Faculty in the School of Architecture and Director of the Program in European Cultural Studies. Her scholarly work on Walter Benjamin includes The Work of Art in the Age of Its Technological Reproducibility and Other Writings on Media (2008; co-edited with Michael W. Jennings and Thomas Y. Levin), as well as essays on Benjamin and Brecht in MLN (2000), on the artwork essay in Paragraph (2009), and on kitsch in Cabinet (2010).  

 

Abstract 

Aus dem Austausch von Benjamin und Scholem während der Zeit, als beide sich zum Ende des Ersten Weltkrieges gleichzeitig zum Studium im Berner Exil aufhielten, sind nicht nur die Acta Muriensa hervorgegangen. Ein Leitmotiv ihrer regelmäßigen Leseabende ist das „Gespräch über das Klagelied“. Beide hatten sich bereits zuvor der Klage gewidmet, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven: Benjamin im Blick auf Ausdruck und Gefühl (“Die Bedeutung der Sprache in Trauerspiel und Tragödie”, 1916), Scholem im Blick auf die jüdische Tradition (“Über Klage und Klagelied”, 1917). Die Art, wie sich ihre Auseinandersetzung mit der Klage an der Schnittstelle von Dichtung und religiöser Überlieferung gestaltet, ist symptomatisch für den spezifischen Charakter der lebenslangen Freundschaft dieser ungleichen Intellektuellen. Geprägt durch gemeinsame Interessen, durch Übereinstimmung ebenso wie Missverständnisse und einen permanenten Wechsel von gegenseitiger Faszination und Abgrenzung, hat sich dieser Austausch für die Arbeiten beider als enorm produktiv erwiesen. Aus den Berner Gesprächen über die Klage sind eine Reihe zentraler Motive in beider Schriften, wie etwa die Reflexionen zu Recht und Gerechtigkeit, hervorgegangen. 

Bionote

Von 1999 bis 2015 Direktorin des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin; Lehre an den Universitäten TU Berlin, Princeton, Zürich, Hamburg, Direktorin des Einstein Forums Potsdam (1998-2000), im Vorstand des Kulturwissenschaftlichen Instituts, Essen (WZ NRW, 1990-93). Jüngere Publikationen u.a.: Das Gesicht: Bilder – Medien – Formate (Hg. 2017), Empathy (Hg. m. V. Lux, 2017),  Testimony/ Bearing Witness (Hg. m. S. Krämer, 2017), A Neuro-Psychoanalytical Dialogue for Bridging Freud and the Neurosciences (Hg. m. G. Schabert, 2016), Grammatologie der Bilder (2015). Editionen u.a. Gershom Scholem, Poetica (2019), Aby Warburg, Werke in einem Band (2010, zus. m. M. Treml, P. Ladwig), Susan Taubes, Schriften (2011ff.), Stéphan Mosès, Momentaufnahmen/ Instantanés (2010).

Zahlreiche Publikationen zu Benjamin, u.a.: „The Flash of Knowledge and the Temporality of Images: Walter Benjamin’s Image-Based Epistemology and Its Preconditions in Visual Arts and Media History.“ (Critical Inquiry 41, Winter 2015: 344-366.); „Walter Benjamins Musiktheorie. Zur Geburt der Musik aus der Klage und zur Beziehung zwischen Oper, Trauerspiel und Musikdrama.“ In: D. Matejovski (Hg.): Resonanzräume. Medienkulturen des Akustischen. Düsseldorf 2014, S. 167-190; Walter Benjamin. Die Kreatur, das Heilige, die Bilder (2008, engl. 2013, ital. 2014, franz. 2019); Body- and Image Space. Re-reading Walter Benjamin (1996, span. 1999) Dt. Entstellte Ähnlichkeit. Walter Benjamins theoretische Schreibweise (1997).

Konferenzprogramm vom 27. bis 29. Juni

Chairs: Prof. Dr. Christine Blättler, Kiel / Prof. Dr. Gabriele Rippl, Bern

In einem ersten Dissertationsplan beabsichtigte Benjamin, die moderne Vorstellung der Fortschrittsgeschichte kritisch zu untersuchen. Gegen Ende des Ersten Welt­krieges machte er auf das Problemfeld der dunklen, unheimlichen Seiten der Moderne aufmerksam, das durch die Russische Revolution von 1917 und die Gründung des sowjetischen Staats, die gescheiterte deutsche Revolution von 1919 und den Erfolg des Faschismus im nationalsozialistischen Deutschland weiter an Kontur gewinnen sollte. Statt jedoch in die verbreitete allgemeine Zivilisationskritik und ihren Kultur­pessimismus einzustimmen, untersuchte Benjamin Alltagsgegenstände und Kunst­werke, neue Techniken und künstlerische Verfahren, die sich allesamt mit Figuren der Repetition, mit Phantomen und Phantasmen auseinandersetzen. Über die Analyse kultureller Produkte und der mit ihnen verbundenen Wünschen und Ängsten aktivierte er eine kulturtheoretische Dimension der Psychoanalyse, erweiterte die ästhetische Theoriebildung, entwickelte medientheoretische Überlegungen und formulierte gesell­schaftstheoretische Fragen. Wir freuen uns auf Vorträge zu diesen Aspekten.

Chairs: Prof. Dr. Ben Morgan, Oxford / Prof. Dr. Michael Stolz, Bern

Diese Sektion beschäftigt sich mit dem Thema «Jugendjahre» in Benjamins Biogra­phie und seinen Schriften, wobei folgende Schwerpunkte berücksichtigt werden sollen:

  1. die Darstellung von Kindheit in der Berliner Chronik und der Berliner Kindheit um neunzehnhundert;
  2. Benjamins frühe Texte über die Jugend wie Dialog über die Religiosität der Gegenwart (1912), Das Leben der Studenten (1914) und Metaphysik der Jugend (1913/14);
  3. Benjamins Ausführungen über Kinder, Kindheit, Spiel, Spielzeug und Sprach­erwerb;
  4. Texte für die Radiosendung Berliner Jugendstunde, die zugleich ein Zeugnis für den Umgang mit dem noch jungen Medium des Rundfunks abgeben (jetzt neu ediert in: Rundfunkarbeiten, hrsg. von Thomas Küpper und Anja Nowak, Berlin 2017).

Erwünscht sind Beiträge, die das produktive Potenzial der Begriffe von «Kindheit» und «Jugend» herausarbeiten. Besonders willkommen sind Vorträge, die textübergreifen­de Perspektiven einnehmen und/oder von dem in der neuen Ausgabe Werke und Nachlass erschlossenen Quellenbestand ausgehen.

Chairs: Prof. Dr. Carolin Duttlinger, Oxford / Prof. Dr. Kristina Schulz, Neuchâtel

Walter Benjamins Karriere war geprägt von geografischen und intellektuellen Bewe­gungen. Einige von ihnen waren intendiert, ein großer Teil aber durch die äußeren Umstände erzwungen. Diese Sektion untersucht die Rolle von Mobilität, Migration und Exil in Benjamins Leben, Schaffen und in seiner Rezeption. Welche Auswirkungen hat seine peripatetische akademische Laufbahn auf seine intellektuelle Entwicklung, insbesondere auf die transkulturelle Dimension seines Denkens, sein Interesse an Kosmopolitismus, den intellektuellen Austausch und die Migration von Menschen und Ideen? Wie gestaltet sein späteres Exil seine intellektuelle Laufbahn, den Inhalt und die Bedingungen seines Schaffens? Und inwieweit formt schließlich dieser Aspekt seiner Arbeit die Benjamin-Rezeption – die Migration seiner Ideen über Regionen, Epochen und Disziplinen hinweg?

Wir begrüßen Vorträge von Kolleginnen und Kollegen, die im Bereich der Geschichte, Philosophie, Literatur-und Kulturwissenschaften, Kunstgeschichte usw. arbeiten. Zu den Themen, die untersucht werden sollen, gehören (in einer nicht als exklusiv zu verstehenden Aufzählung):

  1. Biographie und historischer Kontext, einschließlich Benjamins intellektueller Netzwerke während seines Studiums, als freier Schriftsteller und im Exil;
  2. Die Rolle des Exils, der Mobilität und der Migration (von Menschen, Ideen, Objekten usw.) in Benjamins Schriften;
  3. Reisekonzepte: Migration, Mobilität und Weiterwirken von Benjamins Ideen.

Chairs: Prof. Dr. Ilit Ferber, Tel Aviv / Prof. Dr. René Bloch, Bern

Benjamins Jahre in Bern (1917–1919) waren außerordentlich fruchtbar. Hier hat er nicht nur seine berühmte Dissertation über die Kunstkritik der Romantik eingereicht (1919), sondern auch einen der wichtigsten seiner frühen Texte verfasst: In Über das Programm der kommenden Philosophie (1918) kritisiert er Kant scharf und definiert sich doch gleichzeitig selbst vor dem Hintergrund von Kants Erbe. Dies waren die Jahre, in denen er einige der Texte las (insbesondere Hermann Cohens Kants Theorie der Erfahrung), die ihn in den kommenden Jahren weiter beeinflussen sollten, und in denen er Menschen traf, deren Gedanken für ihn wichtig wurden (zum Beispiel. Ernst Bloch). Seine lebenslange Freundschaft mit Gerschom Scholem (den er 1915 kennen­gelernt hatte) nahm in Bern Gestalt an und vertiefte sich hier. Vor allem auf Vermittlung Scholems nahm auch die Beeinflussung durch jüdische Quellen in Bern ihren Anfang. In diesem Bereich begrüßen wir:

  1. Vorträge über Benjamins Texte, welche während seiner Berner Zeit geschrieben wurden;
  2. Vorträge mit einem eher biografischen Blick auf seine Jahre in Bern;
  3. Vorträge, die Benjamins intellektuelle Einflüsse zu dieser Zeit diskutieren;
  4. Vorträge zu seiner Freundschaft mit Scholem und deren Implikationen;
  5. Vorträge zur Frage nach dem Einfluss von Benjamins jüdischem Hintergrund auf seine Arbeit.

Chairs: Prof. Dr. Michael W. Jennings, Princeton / Prof. Dr. Alexander Honold, Basel

Mit seiner Dissertation Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik versuchte Benjamin gleichzeitig, eine allgemeine Theorie wissenschaftlicher Kunstkritik zu eta­blieren und diese Kritik im Kontext romantischer Selbstreferentialität zu verorten. Nachdrückliche Verweise auf Fichte, Novalis, Friedrich Schlegel und Goethe scheinen für ziemlich verschiedene, sogar widersprüchliche Tendenzen zu stehen. Diese Sek­tion wird einige dieser fundamentalen Dichotomien thematisieren: die offensichtliche Spannung zwischen einem systematischen und einem historischen Zugriff aus methodologischer Perspektive, die implizite Dualität von romantischem Fortschritts­denken und klassizistischem Streben nach Vollkommenheit im Bereich des ästheti­schen Urteils sowie ein breiterer Begriff von «Kunst» – als Gegensatz zu Literatur. Wir erbitten nicht nur Vorträge, die speziell auf Benjamins Dissertation und dessen Ver­ständnis von Romantik fokussieren, sondern auch solche, die Aspekte von Benjamins allgemeinerer Kunst- und Medientheorie behandeln.

Chairs: Prof. Dr. Gérard Raulet, Paris-Sorbonne / PD Dr. Julia Straub, Bern

Vor dem Hintergrund der vielfältigen sprachlichen Landschaft der Schweiz zielt diese Sektion darauf, die theoretischen Schriften von Walter Benjamin über Sprache und Übersetzung zu überdenken. Wir erbitten Vorträge, die die Beziehung zwischen zum Beispiel Übersetzung, Kreativität und Literarität in Benjamins Werken untersuchen, sowie Beiträge, die neue Ansätze zur Übersetzung und zur Theorie der Übersetzung mit seinen Schriften verbinden. So sind Neubewertungen der Aufgabe des Übersetzers und der ontologische Status von Übersetzungen nach Benjamin ebenso mögliche Aus­gangspunkte wie breitere Diskussionen von beispielsweise Benjamins Übersetzungs­theorie und der kulturellen Wende in den Geisteswissenschaften oder deren Platz inmitten transnationaler Kontexte für das Studium von Literatur.

Chairs: Dr. Ori Rotlevy, Tel Aviv / Dr. Toni Hildebrandt, Bern

To the various angles which the different thematic panels will offer for tackling the problem of beginning in Benjamin, this session wishes to add another one: that of reading a beginning. In contrast to the thetic nature of a lecture, this session aims to promote a vibrant polemical and collective discussion of two texts written between 1927-1929, through which we would like to turn the attention of the participants to the naissance of Benjamin's grandest work, the Arcades Project. The first text is "Passagen", a brief text, which might have been written in collaboration with Franz Hessel. The second is an untitled text, containing 24 fragments, which will later find their way to the convolutes. These fragments were re-ordered by the editors of the Gesammelte Schriften, which gave them the title "Passagen II". 

These two small texts, hardly compared to each other in the scholarly literature, provide a very concrete encounter with Benjamin's beginnings in terms of method, style, and concepts. The first being an exemplar of flânerie in the arcades; the second emphasizing the function of the arcades as miniature and archetype ("the hollow mold from which the image of 'modernity' was cast"). They allow pondering on the methodical limitations of flânerie with respect to completion and awakening ("being in the open"). The clear difference between the surrealistic tendency of "Passagen" and the fragmentary nature of "Passagen II" provokes Benjamin's fundamental question of presentation, and specifically the question of an awakening or revelatory kind of writing in modernity. Significantly, through their comparison, the work of concepts as constellating phenomenal details comes to the fore. 

This part of Benjamin’s oeuvre  also points to another complex, which can be addressed as Benjamin’s “idea of natural history”. The difference between this idea and Adorno’s attempt to systematize the concept of “Naturgeschichte” in reference to the Trauerspielbuch in his 1932 essay,  provides further impetus for a close reading of these texts. Thus, in this session, concepts such as “natural history” will provide a springboard for discussing the relevance of these texts to contemporary debates, such as those on the relation of modernity to new geochronological historiographies in the context of the Anthropocene (Chakrabarty 2009).

The reading will begin with a brief 10 minute exegesis of the text and a brief response, and will then open to discussion by the participants. 

 

Core Reading
Walter Benjamin, Gesammelt Schriften, Bd. V.1, ed. Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, pp. 1041–1059.
Walter Benjamin, The Arcades Project, trans. Howard Eiland and Kevin McLaughlin, Cambridge, Mass., London: Harvard University Press 1999, pp. 871–884

Further references
Theodor W. Adorno, “The Idea of Natural-History” [1932], in: Telos. Critical Theory of the Contemporary60 (1984), pp. 111–124.
Dipesh Chakrabarty, “The Climate of History: Four Theses”, in: Critical Inquiry35, no. 2 (Winter 2009): 197–222.

Contact and Organisation: Dr. Toni Hildebrandt, Institut für Kunstgeschichte, Universität Bern, toni.hildebrandt@ikg.unibe.ch; Dr. Ori Rotlevy, Hebrew University of Jerusalem, orotlevy@gmail.com; Franz Rosenzweig Minerva Research Center